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Bei Sat.1 wird man sich selbst auf die Schultern klopfen: Aus einem wohl schmäleren Produktionsbudget hat der Sender bei Promi Big Brother 2023 zumindest quotentechnisch einiges herausgeholt. Trotz teils sehr später Sendezeiten konnte die elfte Staffel des Promi-Ablegers gegenüber den Vorjahren einige Zuschauer hinzugewinnen. Die Reichweite beim Gesamtpublikum ist – basierend auf den vorläufig gewichteten Einschaltquoten – um 7,5 Prozent gestiegen. Die Marktanteile beim Gesamtpublikum waren zuletzt 2019 besser.
Promi Big Brother 2023: Live-Stream zurück, Zuschauer glücklich
Als Big Brother-Fan möchte man diesen Erfolg auf den Live-Stream zurückführen, den Sat.1 in diesem Jahr zurückgeholt hat und ihn für Zuschauer so zugänglich gemacht hat wie kaum zuvor. Er ermöglichte es, noch mehr Facetten von den Stars zu sehen. Gerade bei den Nominierungen war er auch hilfreich, die Entscheidungen der Teilnehmer zu verstehen, denn sie begründeten ihre Nominierung sehr häufig mit tagesaktuellen Vorfällen.
Schlechte Spiele, schlechte Witze
An den Spielen in der Live-Show kann das gestiegene Interesse der Zuschauer jedenfalls kaum liegen. Münzen werfen, Jenga-Türme, zerplatzte Ballons oder auch die Ninja Warrior-Wand für Arme ließen jedenfalls keinerlei Spannung in der Live-Show aufkommen. Selbst der Spielleiter schien sich für das Geschehen nicht sonderlich zu interessieren, entgingen ihm doch mehrmals Regelverstöße der Bewohner.
Und das ist nicht das einzige Problem mit den Spielen: Dank der Misserfolgsserie der Bewohner entwerteten sie auch regelmäßig die abendlichen Abstecher in den Penny-Markt. Wen interessiert es schon, wenn die Bewohner zur Abwechslung mal keine Nudeln kaufen dürfen, wenn sie ihren Einkauf am Ende eh nicht behalten dürfen?
Die Spiele sind aber nicht der einzige Tiefpunkt in den abendlichen Sat.1-Sendungen. Mit den Moderationen zwischen den Sendungsinhalten lässt sich auch in diesem Jahr wieder allenfalls ein Bambi für besondere Hartnäckigkeit gewinnen – die Hartnäckigkeit, immer wieder zu versuchen, mit schlecht geschriebenen und nur mäßig dargebotenen Witzeinlagen zumindest ein bisschen an die Ironie des Dschungelcamps zu kommen. Dass das nur mäßig funktioniert, zeigte die fünfte Staffel, als man zumindest in der Arena erstmals wieder auf Container setzte.
Neues, altes Konzept für Promi Big Brother 2023
Nun sind die Container wieder gänzlich zurück und waren das vielleicht größte Risiko, das Sat.1 eingegangen ist. Denn mit ihnen ging ein Bruch im Konzept einher: Statt einem luxuriösen und einem armen Bereich gab es wieder einen einzigen Bereich – eine Seltenheit für das deutsche Big Brother. Geschadet hat es der Sendung aber nicht. Konflikte und Lästereien gab es trotzdem, nur einigen Zuschauervotings fehlte etwas die Tragweite. Aber das ist verschmerzbar.
Gravierender ist vielmehr, dass vieles von dem, was im Container passiert ist, weniger Big Brother in Reinform ist. Regelmäßig wurde die Show zu einem weiteren Kapitel der Fortsetzungsgeschichte, die Reality im deutschen Fernsehen inzwischen oftmals darstellt. Die Bewohner kennen sich längst und haben eine Vorgeschichte, das wirkt sich auch auf deren Verhalten bei Promi Big Brother aus. Sie liefern genau das, was man von ihnen erwartet und was sie schon in zahlreichen anderen Formaten und den Medien abgeliefert haben.
Casting-Entscheidung: Klein-Krieg brachte kostenlose PR
Fairerweise muss man aber auch sagen: Dass Promi Big Brother oft Reality-Fehden weitererzählt, anstatt Raum für neue Geschichten zu bieten, muss besonders für Sat.1 nichts Negatives sein. Dass man den medial immer noch nicht zu Tode getretenen Ehekrach zwischen Iris und Peter aufgegriffen hat, brachte dem Sender ohne Zweifel kostenlose Werbung in den Medien. Dass Iris im Container dann nicht wie angekündigt eine Bombe platzen ließ, spielte auch keine Rolle mehr. Big Brother kann im Zweifel auch ein Gespräch erzwingen, damit man den Ankündigungen gegenüber den Zuschauern doch noch gerecht wird.
Aber selbst das ist immer noch besser als Reality-Sternchen, die sich für größer als den Großen Bruder halten. Besonders deutlich wurde das im Live-Stream, wenn sich Bewohner mehr über ihre vergangenen Formate oder auch die kommenden Sendungen unterhalten haben.
Mutter aller Reality-Shows wird zu einer Reality-Show unter vielen
Paulina und Matthias verstehen sich, weil sie zusammen in einer Reality-Show für Amazon waren, die erst noch laufen wird. Das ist aber nicht die einzige noch anstehende Sendung mit Matthias, denn er war schließlich auch im Forsthaus Rampensau, das in Kürze bei Joyn gestreamt wird. Dass er so viele Sendungen machen kann, liegt – wie wir gelernt haben – daran, dass er sich Exklusivklauseln aus dem Vertrag streichen ließ, während Kader Loth eher Wert auf ein eigenes Klo beim Kampf der Realitystars legte, bei dem bereits so viele Besucher der aktuellen Staffel waren. Marco war dort noch nicht dabei, würde aber gerne – und auch ins Sommerhaus der Stars wollte er ziehen, davon riet ihm Matthias jedoch ab. Die Teilnehmer dort sind inzwischen unter seinem Niveau.
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Wie sehr Promi Big Brother dank professioneller Reality-Teilnehmer seine Unschuld verloren hat, zeigt sich auch am Phrasen-Bingo, das in diesem Jahr wieder fleißig gespielt wurde. „Die Masken sind gefallen“, „spielt ein falsches Spiel“, „Die Zuschauer sehen die Wahrheit“, „die Kamera sehen alles“, „sie haben Absprachen getroffen“ – Es gibt keine Phrase, die nicht genutzt wurde, um die Konkurrenz vor den Zuschauern schlecht zu machen. Das ist an und für sich kein Problem, denn am Ende des Tages ist Big Brother immer noch ein Spiel. Zum Problem wird es aber dann, wenn die Teilnehmer nicht mehr authentisch sind und mit ihrem Verhalten auch die Zuschauer beeinflussen wollen.
Real Life bei Promi Big Brother 2023
Dass es auch anders geht, konnten wir bei Promi Big Brother 2023 aber ebenfalls sehen. Hervorzuheben sind hier besonders Dilara und Marco, die gänzlich ohne Reality-Erfahrung in den Container gezogen sind und ganz unterschiedliche Reisen angetreten haben. Dilara hatte ursprünglich Angst davor, andere Bewohner für den Auszug zu nominieren und vergoss deswegen die Tränen. Am Ende war sie dann jedoch die Teilnehmerin, die keinen Konflikt gescheut hat und ihre Meinung den anderen Stars stets lautstark und ohne Zügel mitteilte.
Marco war indes als scheues Reh eingezogen, das sich unsicher war, wie die Welt und besonders seine Familie auf sein wahres Ich als schwuler Mann reagieren würde. Bei seinem Coming-Out hat er aber nicht nur die Unterstützung seiner Mitbewohner erfahren, sondern auch die Akzeptanz seiner Familie und den Support der Zuschauer. Dadurch taute er immer mehr auf und geriet schließlich in den Lästerstrudel von Matthias, in dem auch er über Bewohner herzog und sie als falsch abstempelte.
Die Stärken von Promi Big Brother 2023
Es war ungleich spannender, gerade diese Bewohner dabei zu beobachten, wie sie im Container sich mit ihren Stärken und Fehlern selbst kennenlernten, ihre Unschuld verloren haben und damit schließlich – im Guten wie im Schlechten – zu den interessantesten Charakteren der Staffel geworden sind. Für sie wird Promi Big Brother nicht nur einer von vielen TV-Jobs gewesen sein. Ihr Leben wird sich durch Promi Big Brother verändern. Und mehr noch: Gerade Marco dürfte mit seiner Coming-Out-Erfahrung bei Big Brother nicht nur sein eigenes Leben beeinflusst haben, sondern auch das Leben vieler anderer junger, homosexueller Menschen.
Und genau diese rohen, emotionalen und ungeplanten Momente sind es, die Promi Big Brother trotz lahmer Spiele, miesen Moderationstexten und zu professionellen Reality-Darstellern immer noch sehenswert machen.
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