Schadensbilanz in 10 Thesen
Pocher und Cindy: Darum ist Promi Big Brother gescheitert
Berlin. Schwache Quoten, verheerende Kritiken: 10 Thesen, warum Promi Big Brother mit Oliver Pocher und Cindy aus Marzahn so schlecht war.
Jetzt ist es offiziell: Zu Beginn der Finalshow kündigt Cindy aus Marzahn für das kommende Jahr eine zweite Staffel von Promi Big Brother an. Bis dahin sollte das Konzept allerdings grundsaniert werden.
1. Die Moderatoren sind unangenehm. (Vor allem er.)
Gleich die Premiere beginnt mit einer Enttäuschung: Die dicke Transe neben Pocher ist gar nicht Oliver Kalkofe im Fummel, sondern Cindy aus Marzahn – und dementsprechend unlustig. Immerhin versteht sie noch so viel von Humor, dass sie Pocher regelmäßig die schlechten Witze versaut. Mit gutem Grund: Pocher hat sich so schlecht im Griff, dass er sich ständig privat über seine eigenen Pointen ausschüttet. Tiefpunkt: sein kleingeistiges Quieken, als die Kandidaten bei einer Eisblock-Challenge in scheinbar schwule Sexposen gezwungen werden.
2. Die Kandidaten hassen sich gar nicht wirklich.
Permanent ist Streit im Big-Brother-Haus, und so soll es ja auch sein. Trash-TV lebt davon, dass Profil-Neurotiker unter dem Druck widriger Wohnverhältnisse und öffentlicher Aufmerksamkeit aufeinanderprallen. Weil diesmal aber nichts passiert, erfinden die gelernten Knallchargen im Haus einfach Konflikte. Es bringt leider nichts, dass Jan Leyk und Marijke Amado rumbrüllen, wenn man die Wut nicht glaubt. Löbliche Ausnahme: die ungrammatischen Tiraden, mit denen „Frauenerzieher“ Manuel Charr die Luder-Darstellerin Natalia verfolgt. Sein grenzdebilen Sexismus überzeugt jeden, der ihm einmal ins Gesicht blickt.
3. Der Dschungel fehlt.
PromiBB bedeutet: Langweilern beim Langweilen zusehen. Schuld ist das Big Brother Haus. Sat.1 dreht eben nicht in Australiens Dschungel, sondern in der Luxusfantasie eines verrückten Innenausstatters. Außer den geplagten Augen muss man hier gar nichts anstrengen. Bei den Live-Schalten ins Haus sieht man keine leidenden Promis, sondern nur Menschen, die ihre eigene Trägheit nicht mehr ertragen. Vermeintliche Challenges werden zur ersehnten Rettung aus der Unterforderung.
4. Die Zuschauer leiden mehr als die Kandidaten.
Big Brother ist so trübsinnig, dass es im Freilichtstudio selbst dann regnet, wenn im Rest von Deutschland die Sonne scheint. Die Zuschauer leiden dabei mehr als die B-Promis. Macht ja nichts. Den Verwirrten unter den Regenhauben, die sich Pocher freiwillig live ansehen, geschieht es nur recht. So viele scheinen es allerdings gar nicht zu sein. Während der Sendung wird bekannt, dass Sat.1 Statisten als Fake-Zuschauer eingekauft hat.
5. Sat.1 bettelt.
Voting, Überbrücken der Werbung: Immer wieder jagt Sat.1 seine Zuschauer ins Internet, wo über die Klicks noch ein bisschen vom Etat wieder eingespielt werden soll. Die Strategie könnte aufgehen: Ohne iPhone in der Hand war das öde Programm gar nicht auszuhalten. Erkauft ist das Konzept mit selbstentblößendem Betteln um Aufmerksamkeit: „Jede Menge nackte Haut: Alle Duschclips der Promis bei Bigbrother.de“ –- ein Produzent, der solche Sätze einblendet, muss später in der Hölle Sexy Clips mit Pamela Anderson drehen.
6. Die Regie kann keine Geschichten erzählen.
Auch für das Dschungelcamp gilt: Zehn fade Nasen 24 Stunden am Tag zu beobachten, ist in Wahrheit gar nicht interessant. Lustig wird das nur, wenn eine gute Regie das Rohmaterial des Grauens mit genialen Schnittmeistern so zuspitzt, dass am Ende Figuren und Geschichten entstehen. RTL kann es. Sat.1 hat es nicht mal versucht.
7. Man begreift nichts.
Mal stehen Kandidaten im rätselhaften Zwillingsshirt rum, mal tragen Bewohner Handschellen und Faschingshermelin. Und nie weiß man, warum. Pocher und Cindy versagen regelmäßig dabei, auch nur die Spielregeln ihrer sinnlosen Folterideen zu erklären. Warum auch, es interessierte ja sowieso keinen.
8. Sat.1 nimmt seine Promis ernst.
Kernidee des Dschungelcamps ist: Wir verspotten Stars, die keine sind. Sat.1 hält nicht mal diese Voraussetzung durch. Schon David Hasselhoff wird von der Versöhnerin Cindy ein ums andere Mal für seinen tollen Body gelobt. Vollends knicken sie und Pocher dann bei der „Baywatch“-Kollegin Pam Anderson ein: Nicht genug damit, dass ihre Plastikbrüsten bei Big Brother immer noch als erotisch gelten. Sie bekommt auch noch Sonderkonditionen zugebilligt und muss nicht mal im muffigen Sat.1-Haus schlafen. Warum? Weil der Sender sie offenbar wirklich für einen Star hält.
9. Sat.1 tut nicht mies – Sat.1 ist mies.
Die Ekelprüfung im Dschungelcamp sind schrill, scheußlich – und weit weg von der Alltagswirklichkeit. Nachmachen kann man sie nicht, es sei denn, man baut im Kleingarten Kotzpflanzen an. Die Sat.1-Dramaturgen ersetzen die karnevalistische Mutprobe nun durch schlichtes, spießbürgerliches Mobbing. Mal kriegen alle Kandidaten die Anweisung, Natalia mit Schweigen zu strafen. Mal wird sie in eine Kabine gesteckt, wo sie über Kamera zugucken soll, wie alle anderen über sie lästern. Gutes Trash-TV hetzt immer die Kandidaten gegeneinander auf, das stimmt. Mit so wenig Selbstironie wie Sat.1 hat es bislang allerdings noch niemand gemacht.
10. Fancy fliegt zu früh.
Nur einen einzigen der flauen PromiBB-Stars haben die Leser von noz.de in Mails und Postings vehement verteidigt: Fancy. Zu Recht! Nichts ist sympathischer als die schlichte Freundlichkeit, mit der er seine Zeit im Haus verdöst.
http://www.noz.de/deutschland-welt/medi ... escheitert